Im Mai 2008 eröffnete die Metro Group in der 30.000 Einwohner Stadt Tönisvorst ein real,- SB-Warenhaus namens “real,- Future Store”, indem neue Technologien und Konzepte für den Handel in die Realität umgesetzt und erprobt werden. Für mich als Marketing Student also von besonders großem Interesse, um die Innovationen im Handel auch einmal hautnah zu erleben. Das dachte sich wohl auch der Studentenbeirat des Lehrstuhls und organisierte eine Exkursion zu dem bei Viersen gelegenen real,- Markt. Mit rund 20 Studierenden und etwas Verspätung machten wir uns per Bus auf die 45-minütige Reise. Welche Neuerungen wir bei der anderthalbstündigen Führung unter die Lupe genommen haben und vor Allem, wie der Kaffee im Besucherzentrum schmeckt, erfahrt ihr im Rest des Artikels
Kommen wir erstmal zum Kaffee: Der WMF-Vollautomat zauberte -wenn auch etwas lauthals- köstliche Heißgetränk-Kreationen in allen erdenklichen Varianten in unsere Tassen und das sogar studentengerecht, weil kostenlos
Nun aber zum “ernsthaften” Teil: Den neuen Technologien und Konzepten im real,- Future Store! Zum Verständnis ist zu erwähnen, dass dieses Warenhaus allgemein zugänglich und auch als Einkaufsstätte von Jedermann genutzt werden kann. Es handelt sich also nicht um konstruierte “Laborbedingungen”, sondern um einen in die real-Kette eingebundenen Markt, der sich z.B. auch an bundesweiten Sonderangeboten beteiligt. Im Folgenden werde ich die erwähnenswerten Innovationen -der Übersicht halber- einzeln vorstellen:
Mobiler Einkaufassistent (MEA)
Bei dem mobilen Einkaufassistenten handelt es sich um eine für real,- entwickelte Handysoftware. Vorraussetzung für die Nutzung ist ein Java-und UMTS-fähiges Handy, das mindestens über eine 3,2 Megapixel Kamera verfügt. Sind all diese Vorraussetzungen erfüllt, hat man bereits während des Einkaufs die Möglichkeit, die Waren anhand des Strichcodes auf den einzelnen Produkten zu scannen, um später Zeit an der Kasse zu sparen und Informationen über das Gut zu erhalten. Diese beinhalten aktuelle Rabattaktionen, sowie Inhaltsstoffe, was besonders für Allergiker von Nutzen sein dürfte. Das Scannen eines Artikel dauert wenige Sekunden und auf Wunsch bekommt man dann z.B. den Preis seines Einkaufswagen angezeigt. Auch beim Auffinden von Artikeln im Warenhaus steht der MEA mit interaktivem Rat zur Seite. Außerdem kann die Software auch im Haushalt helfen: Wenn ein Produkt -vorrausgesetzt ist ist bei real,- gekauft- zu Neige geht, scannt man einfach den Barcode auf der Verpackung ein und hat dann die Option, diesen Artikel auf eine Einkaufsliste zu setzen, die um beliebige Dinge ergänzbar ist. Derzeit wird das enorme Potenzial, welches die Software marketing-technisch bieten könnte (Käuferverhalten, personalisierte Werbung, etc.), noch nicht ausgeschöpft, denn es geht der Metro Group “Future Store Initiative” bisher ausschließlich um die Basis-Funktionalität der Anwendung. Ob sich der MEA auf lange Sicht durchsetzt ist allerdings fraglich, denn es gibt diverse Kritikpunkte, die diese Methode unpraktikabel machen: Das Scannen und Erfassen der Strichcodes dauert Software-bedingt zu lange und ist dem üblichen Scannen an der Kasse unterlegen. Außerdem dürften die nötigen Spezifikation des kundeneigenen Handys der jetzigen Zeit etwas vorraus sein und auch die anfallenden Gebühren für den UMTS-Verkehr (bei nicht vorhandener Flatrate) sprechen bislang eher gegen den kleinen Helfer im Mobiltelefon.
City-Light-Poster
Auf den ersten Blick (Bild) handelt es sich hierbei um ein ganz normales, beleuchtetes Plakat, wie man es von Bushaltestellen kennt. Doch im Inneren steckt eine Bluetooth Schnittstelle, welche den geneigten potenziellen Kunden im Umkreis von wenigen Metern Daten/Werbung auf ihre Handys schicken kann. Derzeit kann man an den City-Light-Postern am real,- Future Store den unglaublichen real,- Klingelton runterladen - wers braucht… Auf jeden Fall eine interessante Idee mit Zukunftschancen, denn das Thema Bluetooth-Werbung ist stark im Kommen und kann vielseitig eingesetzt werden.
Interaktiver Boden
Dieser von zwei Beamern angestrahlte Bereich von 2 mal 4 Metern kann mit interaktiven Programmen bestückt werden. In unserem Fall war dies ein kleines Computerspiel, welches der Kunde über die Bewegung seiner Füße steuern kann, um herunterfallendes Obst mit seinem virtuellen Einkaufswagen zu erhaschen. Nette Spielerei, aber höchstens ein Mehrwert für Kinder, wobei auch wirksamere Anwendungen dieser Technologie im vorstellbaren Bereich liegen dürften
Misch-Bar
Eine nette Idee für die Süßwarenabteilung: Statt der üblichen Kelle zum Eintüten der kleinen Leckereien und dem anschließenden Wiegen, hat die vorwiegend wohl junge Kundschaft hier die Möglichkeit Plastikbecher per Hebel auf ein angestrebtes Maximum zu befüllen; gezahlt wird ein Pauschalpreis, solange denn der Becher auch zu geht.
360°-Display
Dieses sich drehende Projektion ist eine moderne Form der altbekannten Litfaßsäule. Aktuelle Angebote und Informationen können platzsparend, aber dennoch mit hoher Erreichbarkeit in ansprechender, animierter Form an den Kunden weitergegeben werden. Auch wenn sich der Projektor mit wahnwitziger Geschwindigkeit dreht, die Investition von ca 30.000€ für ein solches Gerät sollte dennoch gut überdacht werden.
Innovationslotse
“Ally” und “Roger” (Bild) sind die Namen der beiden mobilen Robotern, die auf der Verkaufsfläche umherfahren, um bei Knopfdruck den Kunden zu einzelnen Innovationen bringen und ihn dort per Text und Sprachausgabe darüber zu informieren. Leider war bei unserer Führung Ally nicht auffindbar und Roger -der ununterbrochen redete- ließ sich auch zu keiner Bewegung hinreißen - schade! In der Theorie eine gute Idee, ob man allerdings in Zukunft, wenn die Innovationen von den Kunden verinnerlicht wurden, noch weitere Anwendungsmöglichkeiten für die kleinen R2D2s findet, bleibt abzuwarten.
Soundsystem
Bei den sogenannten Klangwannen (Bild) handelt es sich um von der Decke hängende Lautsprecher, welche die Eigenschaft besitzen, nur für direkt unterhalb stehende Personen hörbar zu sein. Dies hat den Vorteil, dass benachbarte Bereiche von den “Soundduschen” nicht gestört werden und man Geräusche präzise an gewählten Orten einsetzen kann. Vor allem in der Medien-Abteilung eine angenehme und hygienische unbedenkliche Alternative zu den zumeist eingesetzten Kopfhörern.
Sportabteilung
Der Boden der Abteilung für Produkte der Leibesertüchtigung ist dem einer Tartanbahn nachempfunden, was diesen Bereich von der “normalen” Verkaufsfläche abgrenzt. Hier können Laufbänder, Heimtrainer, etc. vor dem möglichen Kauf ausprobiert werden. Außerdem gibt es einen Informations-Touch-Screen und einen Flatscreen, auf dem das Programm eines Sportsenders zu sehen ist. Auch das Vogelgezwitscher in der Zweiradabteilung, lässt diese Innovative im Vergleich zu den anderen etwas blass erscheinen.
Convenience
Eine wirklich praktikable Idee für Kochmuffel ist das Konzept “Mein Frischemenü”: In den vier Kategorien Fleisch, Beilagen, Soßen und Gemüse/Salat finden sich jeweils fertig abgepackte Produkte, die zusammen kombiniert eine leckere Fertigspeise ergeben sollen. Diese Idee findet sich bereits in weiteren real,- Märkten.
Obst-/Gemüseabteilung
Hier finden sich mehrere Waagen (Bild), die per Kamera das unter ihnen gelegene Frischeprodukt identifizieren können und somit dem Kunden das Eintippen einer Nummer ersparen. Im direkter Nähe hierzu befindet sich ein Promotionstand, der wöchentlich wechselnden Anbietern die Möglichkeit gibt, ihre Produkte “live” vorzustellen.
Fischtheke
Die angeblich zur Zeit schönste Fischtheke in Deutschland überzeugt mit einem offen gestaltetem Angebot, Meerrauschen und einem über die Klimaanlage eingeblasenen dezenten Kräuter-/Limonenduft. Ich persönlich empfand den Geruch nicht unbedingt als angenehm, aber das ist wohl Geschmacksache.
Fleisch-/Wursttheke
Der eigens hierfür kreierte Label “Der Meistermetzger” suggeriert dem Kunden zusammen mit dem angepassten Erscheinungsbild einen Shop-in-Shop. Die markteigene Wurst- und Fleischverarbeitung kann durch eine große Glasscheibe observiert werden, das sorgt für sprichwörtliche Transparenz. Außerdem gibt es eine kleine Nebentheke, an der fertig zubereite Gerichte angeboten werden.
Radiofrequenz-Identification (RFID)
Dieses Verfahren der Produktidentifikation durch Mikrochips in den Verpackungen der Produkte findet zur Zeit nur in der Fleischkühltheke Verwendung, soll aber ausgebaut werden. MIt diesen Mini-Sendern ist es möglich ein Produkt berührungslos bei einer Annäherung unter 0,5 Meter zu erfassen. Diese Technik lässt sich vielseitig anwenden: Zum Beispiel, kann man so den Bestand eine Regals in Echtzeit überprüfen. Es wäre außerdem möglich (sofern alle Artikel des Marktes mit RFID-Chips versehen sind) einfach mit dem Einkaufswagen durch die Kassenzone zu fahren und dann zu zahlen, ohne dass auch nur ein Produkt gescant werden müsste. Dies scheint aber noch Zukunftsmusik zu sein, denn zur Zeit kostet die Herstellung und Anbringung eines solchen Chips 5-7 €ent. Außerdem treten Datenschützer auf den Plan, die einen “gläsernen Kunden” befürchten. Aus diesem Grund gibt es am Ausgang ein Terminal (Bild) um die RFIDs unbrauchbar zu machen. Ich denke aber, dass wir früher oder später nicht um diese Technik herum kommen, denn wenn z.B. das Stichwort “intelligenter Kühlschrank” fällt, ist kein Verzicht auf RFID möglich.
Beauty- und Pflegeabteilung
Auch hier haben sich findige Leute etwas ausgedacht, um vor allem Frauen mit modernen Technologien zu beeindrucken. Der Hauttyp lässt sich beispielsweise per Wattebausch bestimmen oder die richtige Haarfarbe mit dem Colorationsberater finden, natürlich nicht, ohne auch schon die passenden Produkte vorzuschlagen. Dies macht auch der “Make-Up-Berater” (Bild), der zuerst ein Portraitfoto schießt, um auf dessen Basis verschiedene Schminkstile per Touchscreen darzustellen. Die Regale der Abteilung sind passend zum “Beauty-Gedanken” geschwungen und vor dem Make-Up-Berater steht man (absichtlich) etwas sichtgeschützt, was wohl die meisten Frauen als angenehm empfinden dürften.
Weinabteilung
Überraschend groß und vom Angebot her sehr breit gefächert zeigte sich die Weinabteilung, in der jeder Kunde, der zwischen 2 und 123€ ausgeben will, seinen Rebsaft finden dürfte. Das Highlight stellt neben dem in Holzoptik gestalteten und temperierten Weinregal ein Verkostungsautomat dar: 16 Rot- und Weißweine können per Knopfdruck gekostet werden. Natürlich nicht von Minderjährigen und auch nur im geringem Maß, dafür sorgt die benötigte Chipkarte, die man kostenlos an der Information erhält.
Kassenbereich
Neben den heute in Deutschland üblichen mit Personal bestückten Kassen finden sich im real,- Future Store auch Selbstbedienungskassen. Laut einer Aussage bei unserer Führung nutzen ca. 20% der Kunden diese Zahlmethode. Zur Verfügung stehen drei Ausprägungen der SB-Kassen:
1. MEA-Kasse: Beendet man mit der Handysoftware seinen Einkauf, erscheint auf dem Display ein Barcode, der wiederum einmal an der Kasse gescant werden muss. Ist dies geschehen, öffnet sich die Schranke und der Kunde kann an einem Zahlterminal seine Waren bezahlen.
2. SB-Kasse: Hier scannt der Kunde selbst seine Ware und legt sie dann auf ein Förderband, welches die Produkte zum Ende der Station bringt, wo sie dann eingepackt werden können. Ein Zähl-Sensor soll dafür sorgen, dass auch alles gescant wird. Ist dies nicht der Fall, läuft das Band zurück. Nach dem Scannen und Einpacken kann der Kunde ebenso wie bei 1. die Rechnung an einem der Bezahlterminals begleichen.
3. SB-Schnell-Kasse: Ähnlich wie bei 2., allerdings befinden sich hier Scan- und Zahlstation an nur einem Ort. Die registrierten Produkte werden in eine Tüte gelegt, die auf einer Waage steht, die Alarm steht, falls das Gewicht der Tüte nicht mit dem errechneten Gewicht der gebonten Artikel übereinstimmt. In diesem Fall ist sofort ein Mitarbeiter zur Stelle, der auch bei allen sonstigen Problemen mit den neuen Kassen hilft. Die Zahlungsmethoden an den Terminals sind ebenfalls vielseitig:
1. Bargeld: Der Automat nimmt scheine und unsortiertes Münzgeld entgegen und gibt passendes Rückgeld.
2. Fingerabdruck: Hat man sich zuvor registriert kann mit seiner Fingerkuppe zahlen. Mehrere Sensoren bestimmen die Echtheit und dann wird auch schon per Bankeinzug abgebucht.
3. Kredit-/EC-Karte
Wenn man inkognito einkaufen will, sind die SB-Kassen eine wirklich feine Sache, denn weder ein Kassierer noch die benachbarten Schlangesteher sehen was in der Tüte landet, wenn man es nicht will. Allerdings kann bei aller modernen Technik noch keineswegs von Personaleinsparung die Rede sein, denn die SB-Kassen sind sehr betreuungsintensiv, auch wenn nur wie oben erwähnt 20% dieses “Feature” nutzen.
Ich hoffe ich konnte mit diesem Artikel eine halbwegs gute Übersicht über die neuen Techniken, Methoden und Konzepte des real,- Future Store vermitteln, die uns präsentiert wurden, auch wenn ich noch viel mehr hätte schreiben können. Meiner Meinung nach war es eine wirklich erfolgreiche Exkursion mit einer netten Truppe, einer super Führung und einem erlebnisreichen Nachmittag in Tönisvorst. Jetzt bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Innovationen entwickeln und vor allem: Wo schmeckt der Kaffee am besten?
21. November 2008
Und das alles in der Weltmetropole Tönisvorst
Da haste aber fleißig mitgeschrieben, was? Interessanter Artikel. Den schick ich mal meinem Paps.